Mutter

Heute morgen im Bus sass eine Frau neben mir, die ein ähnliches Parfum wie meine Mutter benutzte, früher, als ich noch klein war. Sie hatte ein kleines, rundes, rosa Puderdöschen, ein Rouge, das sie häufig benutzte und nach dem sie immer so wunderbar roch. Dieser Geruch, wurde mir klar, ist das, was ich positiv mit dem Begriff „Mutter“ verbinde. Dieser wunderbare Duft heisst Geborgenheit, Aufgehoben-Sein, Vertrauen, ist Umhüllung, in die ich mich fallen lassen kann. Fast hätte ich die Frau gefragt, welches Parfum sie trage, doch schnuppernd merkte ich, dass es nicht genau dem damaligen Geruch entsprach und so liess ich es bleiben. Lange habe ich in allen möglichen Geschäften nach diesem Geruch gesucht und nie genau gefunden. Doch es reicht eine gewisse Ähnlichkeit und das wunderbare Gefühl von damals stellt sich ein. Im NLP ist dies ein positiver Anker.
Der Geruchsinn gehört zu lymbischen System, ein archaischer Teil im Gehirn, der für die Färbung von Erlebnissen zuständig ist und sie auch blitzschnell abruft, ohne dass sich das Grosshirn dazwischen schalten kann. Der Geruchsinn kann im Gegensatz zu anderen Sinnen auch nicht übertölpelt werden, er gehört zu unserer Instinktnatur. Und wie mir heute der Duft in die Nase stieg, waren auch sofort das Bild (Puderdose) und die Emotion (Geborgenheit) auf der Stelle da.

Ich hatte das Glück eine richtige Glucke als Mutter zu haben (als Kleinkind ist das ein Glück – später lässt sich darüber streiten 😉 ) und so ist dieser Aspekt von Geborgenheit, Verbundenheit tief in meinem System gespeichert.

Dieses Erlebnis brachte mir wieder in Erinnerung, wie leicht wir uns mit diesem und ähnlich positiven Gefühlen verbinden können. Etwas, das im Alltagstrubel, in all den Sorgen und Nöten schnell vergessen geht. Wir erfüllen unser Soll und rennen von Pflicht zu Pflicht, haken unsere nie enden wollenden To-Do-Listen ab, um dann Abends erschöpft ins Bett zu sinken. Oft lassen unsere Gedanken uns nicht einmal dann die wohlverdiente Ruhe finden, sondern quälen uns mit (vermeintlich) Vergessenem, Unterlassenem, spielen uns noch einmal unerquickliche Begebenheiten vor. Und nach vielfach zu kurzem Schlaf steigen wir am nächsten Morgen erneut in die Tretmühle, trösten uns damit, dass es bestimmt irgendwann mal besser wird… Kennst du das auch?

Ganz besonders in schwierigen Lebensphasen vergessen wir oft auf unsere Ressourcen zurückzugreifen. Nicht selten, weil da nichts zu „greifen“ ist, weil wir es schlicht vergessen oder weil uns scheint, noch mehr ins eh schon volle Programm einfügen zu müssen. Wie oft streichst du gerade das, was dir Freude bereitet aus deinem Leben, um deinen Pflichten nachkommen zu können? Das, was nicht sinn- und zweckgebunden ist? Wenn du selbst Mutter geworden bist, kennst du dieses Phänomen sicher gut. Wie fühlst du dich dabei? Hilflos, erschöpft, überfordert, verunsichert, hin und her gerissen?

Dem mütterlichen Prinzip, der Erde,  kommt in der chinesischen Medizin eine wesentliche Rolle zu. Es bildet unsere Mitte, es verbindet, stützt und eint, es verdaut, verarbeitet, es nährt uns und verleiht uns die Fähigkeit zu Mitgefühl. Doch so, wie wir die Erde ausnutzen, treiben wir zu oft auch Raubbau an unseren Kräften. Es liegt also nahe, besonders in Zeiten der Überforderung – aber nicht nur – uns selbst eine gute Mutter zu sein, also uns zu nähren und zu stützen.

Das geht oft einfacher als gedacht. Wir müssen uns lediglich etwas Zeit gewähren und unsere Absicht darauf ausrichten. Wir können uns Blitzentspannungen z.B. im Zug gewähren, während eines Bads oder abends vor dem Schlafengehen. Die Absicht macht den Unterschied. Wir lenken bewusst unsere Gedanken, unsere Aufmerksamkeit in eine nährende Richtung, weg vom inneren Antreiber hin zur aktuellen inneren Befindlichkeit. Wir tun dies, indem wir uns Fragen stellen und unseren Körper von innen wahrnehmen.

  • Wie fühle ich mich gerade jetzt?
  • Was bräuchte ich stattdessen, um mich wohler zu fühlen? (Achtung: nicht an äusseren Umständen haften, die sich (momentan) nicht ändern lassen, hier geht es um das Innere. Wenn dir also der Gedanke „Urlaub“ kommt, so geht es in Wirklichkeit um das Gefühl, das dir der Urlaub vermitteln würde.)
  • Wie würde sich das anfühlen, wenn ich es hätte?
  • Kann ich das Gefühl stärker werden lassen?
  • Wenn sich mein Kind, meine Freundin so fühle würde, was würde ich ihm anbieten, raten? (Oft stolpert man über kleine Fallen. Wenn du dich ängstlich fühlst, magst du versucht sein dem „Kind“ zu sagen, es brauche keine Angst zu haben. Das wird meist nicht helfen. Viel eher mag es sich beruhigen, wenn du es in den Arm nimmst und sagst, du seist da.)

Der Antreiber wird deine Bemühungen immer wieder stören, dir die Übung als unsinnig darstellen. Lass dich davon nicht irritieren. Oft lässt er sich besänftigen, indem du ihm dezidiert erklärst, ihm in kürze  wieder zuzuhören, du jedoch diese Übung jetzt durchführen wirst. Mal geht es besser, mal schlechter. Je schlechter sie funktioniert, desto mehr bist du grad in der Mühle. Akzeptiere es und versuche es später nochmal.

Wenn du Erinnerungen an das Wohlgefühl hast, hole sie hervor und lass sie ganz lebendig werden. Wenn du einen Duft mit Geborgenheit verbindest, stell ihn dir vor und, falls möglich, hole ihn dir in echt und lass das gewünschte Gefühl stark werden.

Diese Übung kann noch verstärkt werden, indem du dir selbst das sagst, was du gerne hören würdest. Also nicht nur das „du schaffst das“, „es wird schon“, sondern was in dir Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit hervorbringt. Einige Beispiele guter Botschaften können sein:

  • Ich liebe dich, so wie du bist.
  • Du bist einzigartig für mich.
  • Ich passe auf dich auf.
  • Ich bin für dich da.
  • Ich halte dich.
  • Du darfst dich fallen lassen.
  • Ich bin stolz auf dich.
  • Du darfst dich ausruhen.
  • Du kannst deiner inneren Stimme vertrauen.
  • Ich liebe dich, auch wenn du nicht perfekt bist.
  • etc. suche in dir die Botschaft, die du momentan am stärksten brauchst und tauche so oft als möglich in sie ein.

Vielleicht lässt sich das eine oder andere Bedürfnis erfüllen? Statt zu bügeln ein gutes Buch lesen, ein schönes, warmes Bad geniessen?

Erinnere dich immer wieder daran, dir selbst eine gute Mutter, ein guter Vater zu sein. Nähre dich. Lenke den Blick darauf, was du benötigst, damit du dich gut fühlst. Schätze deine Anstrengungen und erlaube dem Mitgefühl, das du dir entgegenbringst sich auszudehnen auf alle Menschen. Alle geben ihr Bestes, auch du. Mehr ist nicht nötig.